Unser Ausgangspunkt für eine emanzipatorische politische
Aktivität ist die Feststellung, dass wir in einer
Klassengesellschaft leben. Diese beruht in erster Linie auf
dem Interessengegensatz von Lohnarbeit und Kapital. Je
intensiver die Ware Arbeitskraft ausgebeutet wird, umso mehr
Mittel stehen dem Kapital für seinen Wachstumsdrang zur
Verfügung. Die Kapitalkonkurrenz zwingt zu immer mehr
Akkumulation und zur Ersetzung von Arbeitskraft durch
profitablere Arbeitsmittel, Arbeitsorganisation und
Maschinen. Kraft seines immanenten Wachstumszwangs schickt
sich dieses System an, die Voraussetzungen seiner eigenen
Reproduktion zu untergraben: die Ware Arbeitskraft und die
natürliche Umwelt.
Wir wissen, dass die herrschende Klasse ihr System mit Zähnen
und Klauen verteidigen wird. Die Kämpfe der Ausgebeuteten
gegen die Folgen des Kapitalismus, die Kämpfe der Frauen gegen
Diskriminierung und Überausbeutung, der aktive Kampf von
Migrant*innen gegen den alltäglichen Rassismus, gegen die
Schikanen durch Ämter und Polizei und der Kampf von vor allem
jungen Menschen gegen den Raubbau der natürlichen Umwelt und
die Folgen des Klimawandels, die ihre Zukunft zerstören – alle
diese Kämpfe sind unsere Hoffnungsträger für eine bessere
Zukunft. Wir wissen, dass es diese Klassenkämpfe, diese
Konflikte sind, und sicher nicht der
Parlamentarismus, die die gesellschaftlichen Probleme lösen
werden.
Nicht erst mit der Pandemie Covid 19 ist deutlich geworden,
dass wir in einer multiplen Krise leben. Allerdings
hat sie sich damit drastisch verschärft.
-
Trotz vieler Beschlüsse auf nationaler und internationaler
Ebene wird faktisch nichts Grundlegendes an den
Bedingungen geändert, die den Klimawandel vorantreiben.
Inzwischen haben wir eine CO2-Konzentration von
415 ppm, was ohne radikales Umsteuern zur größten
Katastrophe der Menschheitsgeschichte führen wird.
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Ebenso verheerend sind die Auswirkungen der Zerstörung der
Biodiversität und die weitflächige Zurückdrängung des
Lebensraums von Wildtieren (u. a. mit Abholzungen und
Brandrodungen, um Futtermittel und Biosprit zu
erzeugen). Dies geht auf Kosten der Ernährungsgrundlage
breiter Bevölkerungsschichten (v. a. im Globalen Süden)
und fördert gleichzeitig das Entstehen von Zoonosen (wie
etwa Covid 19). Wir leben somit in einer Ära strukturell
angelegter Pandemien.
-
Neben der profitgetriebenen Industrie fördert die
kapitalistisch betriebene Landwirtschaft die Vergiftung
der Böden und des Grundwassers und trägt gleichzeitig zur
Erhöhung der CO2-Emissionen bei. Das gilt vor
allem für die Nahrungsmittelproduktion in Monokulturen,
die Fleischfabriken usw. Nicht zuletzt der Transport im
Zusammenhang der weltweiten Wertschöpfungsketten von
Industriegütern und Nahrungsmitteln treibt die
CO2-Emissionen in die Höhe.
Die große Mehrheit der Bewegungen, die sich für eine andere
Umweltpolitik engagieren, erhofft sich Lösungen ohne einen
tiefen Bruch mit dem System. Ein Teil der Degrowth- Bewegung
setzt stark auf Konsumkritik und Veränderung individueller
Verhaltensweisen, andere wiederum glauben an schrittweise
Veränderungen durch parlamentarische Mehrheiten. Ohne diesen
Strategien jegliche Wirkung abzusprechen, ist ihnen doch
gemein, dass sie die gesellschaftlichen Machtverhältnisse und
den zentralen Stellenwert der Kapitalverwertung unterschätzen
und die Wandlungs- und Anpassungsfähigkeiten dieses Systems
überschätzen.
Wir wissen aber auch, dass das Objekt ihrer Konsumkritik zurecht ein
imperialer Lebensstil ist, der in großen Teilen
Europas und Nordamerikas nur infolge gnadenloser Ausbeutung
der Arbeitskraft von Milliarden Menschen und durch
schonungslosen Raubbau an den Ressourcen und der Umwelt im
globalen Süden praktizierbar ist. Und dieser Lebensstil wird
nicht nur von der Bourgeoisie (einer gesellschaftlichen
Minderheit) praktiziert, sondern er wird geteilt von einem
großen Teil der Bevölkerung. Das macht das System, dessen
Bestandteil dieser imperiale Lebensstil ist, so politisch
stabil. Auf der Basis dieses Konsens hierarchisch zugeteilter
Privilegien können Kriege geführt werden, gedeihen Rassismus,
Nationalismus und Wohlstandschauvinismus und wird Solidarität
zu einem weltfremden Verhalten. Es ist unsere Aufgabe dazu
beizutragen diesen imperialen Konsens mitsamt seinen tragenden
Pfeilern - Klassenfrieden und die Ungleichwertigkeit der
Menschen – endlich aufzubrechen!
Dies heißt für uns aber nicht, dass wir ohne Systemwechsel
nichts tun können und keine Teilerfolge erringen können. Diese
Teilerfolge sind nötig, um breitere Bevölkerungsschichten zu
ermuntern, sich gegen dieses zerstörerische und
menschenfeindliche System zur Wehr zu setzen.
Überall auf der Welt kämpfen arbeitende Menschen, Jugendliche,
Frauen, Migrant*innen und indigene Bewegungen gegen die
kapitalistische Wachstumsmaschine, die ihre Lebensgrundlagen
zerstört. Mit ihnen fühlen wir uns zutiefst solidarisch, weil
wir wissen, dass uns große Gemeinsamkeiten und Interessen
verbinden und weil wir wissen, dass ohne einen erfolgreichen
Kampf für globale Klimagerechtigkeit, eine
Neuverteilung der Ressourcen und gleiche soziale
Lebensgrundlagen für alle, eine Fortführung dieses
kapitalistische Systems unser aller Zukunft ruinieren wird.
Zur Zeit besteht der Schwerpunkt unserer Arbeit darin,
gemeinsam mit anderen Kräften aus linken ökologischen
Bewegungen eine radikale
Verkehrswende voranzutreiben, denn das herrschende
System der Mobilität, mit dem Auto als seinem zentralen
Pfeiler, beeinträchtigt unser Leben auf sozialer Ebene (es ist
ein teures System), auf ökologischer Ebene (es trägt ganz
beträchtlich zum Klimawandel bei), auf gesundheitlicher Ebene
(das Auto als Massenvernichtungsmittel). Eine Verkehrswende
brauchen wir auf dem Land, die das Leben, Arbeitsplätze und
autofreie Mobilität in die zu Schlafstätten verkommenen Dörfer
und Kleinstädte zurückbringt. Eine Verkehrswende brauchen wir
in der Stadt, deren Ergebnis eine autofreie Stadt sein wird,
die ihre Bewohner von Lärm, Feinstaub und Gestank erlöst und
Asphalt wieder in Grünflächen verwandelt. Wir wollen, dass die
Bewohner ihre Stadt wieder in Besitz nehmen. Wir nennen es das
Recht auf Stadt.
Mobilität ohne Auto? Ja! Und der schnellste Weg dorthin ist der
massive und bedarfsgerechte Ausbau des ÖPNV zum Nulltarif!!!
Nur so ist eine grundlegende Verkehrswende zu erzielen. Wir wissen
aber auch, dass sie nur gelingen kann, wenn die Arbeiterinnen und
Arbeiter in der Automobilindustrie aufstehen, um endlich
Gebrauchswerte herzustellen, statt weiter an Gerätschaften zu basteln,
die das ökologische Desaster nur verschlimmern und jährlich ca. 30.000
Menschen das Leben kostet. Wir wissen, dass die bestehende
Klassengesellschaft mit ihrem System der Herrschaft und Ausbeutung nur
imstande ist, die bestehende Barbarei zu verlängern. Genau das wollen
wir nicht! Die Zukunft kann selbstverständlich nur in einer
klassenlosen Gesellschaft bestehen!
Was ist die Verkehrswende ?
Verkehrs- und Energiewende
Der Begriff der Verkehrswende ist in Anlehnung an die Energiewende
geschaffen worden, um darauf hinzuweisen, dass – ebenso wie eine
andere Form der Erzeugung von Energie notwendig ist – auch neue Formen
der Mobilität entstehen müssen. Traditionellerweise beruhen
Energieerzeugung und Mobilität auf der Verbrennung fossiler
Energieträger (Öl, Kohle, Gas). Um in Zukunft die globale Atmosphäre
nicht noch stärker mit THG (Treibhausgase, darunter vor allem
Kohlendioxid) zu belasten, die die Atmosphäre aufheizen, muss die
Nutzung fossiler Energieträger als Grundlage für Energieerzeugung und
Mobilität schrumpfen.
Durch relativ einfache technische Veränderungen und Innovationen
ist es in den Jahren 1990-2010 gelungen die THG-Emissionen
verschiedener Sektoren der Wirtschaft und des Alltagslebens
abzusenken. Nicht so beim Verkehr. Zwar sind Autos energieeffizienter
geworden, im Gegenzug aber schwerer und ihre Anzahl ist stark
gestiegen. Zugleich haben im Zeitraum 1990-2019 Flugverkehr und
Schiffsverkehr zugelegt, sodass die THG-Emissionen im Verkehrssektor
trotz steigender Energieeffizienz zugenommen haben. Diese Entwicklung
wird deshalb so bedrohlich, weil das Zeitfenster für Veränderungen,
die den Klimawandel drohen zur Klimakatastrophe auswachsen zu lassen,
rasch schrumpft.
THG-Emissionen nach Emittenten in Deutschland 1990-2016
Quelle:
Sachverständigenrat Umwelt 2017
Die Grafik teilt uns mit, dass die Steigerungen der technischen
Effizienz, die in den meisten Sektoren schnelle Emissionssenkungen
ermöglichten, augenscheinlich nicht ausreichen werden, um die
THG-Emissionen bis 2050 auf das erforderliche Niveau nahe der
Klimaneutralität zu senken.
Die drei Themen der Verkehrswende
In Deutschland und in Europa werden jedes Jahr mehr fossile
Brennstoffe verbraucht, um die bestehende Mobilität zu wahren. Das
Interesse ist groß, dass diese Mobilität eine Automobilität bleiben
wird, weil einer der beschäftigungsgrößten und gewinnträchtigsten
Sektoren der Industrie die Automobilindustrie ist. Zudem sind große
Teile der Infrastruktur (für Einkaufen, Wohnen und Arbeiten, Freizeit)
so konstruiert worden, dass sie völlig vom Auto abhängig sind. Es gibt
einen Zwang zum Autobesitz, weil anders die Arbeit oder Freunde und
Verwandte nicht erreichbar sind. Wer nicht in einer Stadt lebt kann in
der Regel nicht einmal mehr ohne Auto einkaufen. Der Öffentliche
Verkehr wurde durch den Zwang zur Automobilisierung so weit
zerstört, dass er nur noch in den Städten als Alternative zum Auto
gelten kann. Ihn wieder aufzubauen und zur Ersten Form der Mobilität
zu machen ist oberstes Gebot jeder Politik gegen die
Klimakatastrophe.
Wenn wir von Verkehrswende sprechen geht es aber nicht nur um
Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen, sondern ebenso um die
Wiedergewinnung eines lebenswerten Lebens, das besonders in den
Städten mit ihrem Lärm, ihren Abgasen und einer autogerechten
Flächenaspaltierung in den vergangenen 60 Jahren rapide an Qualität
verloren hat. Die Städte sind heute bis ins Detail autogerecht und
menschenfeindlich umgebaut worden. Sie für und durch die Bewohner
wiederzugewinnen, also das Recht auf Stadt geltend zu machen, ist auch
Bestandteil der Verkehrswende. Auch hier gilt es das, was verloren
gegangen ist, wieder aufzubauen: Die Lebensqualität von Stadt, ein gut
ausgestatteter Öffentlicher Nahverkehr, Wohnungsmieten, die sich
jede(r) leisten kann, keine Dauerbelastung durch Lärm und Abgase,
Räume zur Erholung und Räume, in denen Kinder wieder spielen
können. Wir wollen keine Industrie und keinen Verkehr, die den
Klimawandel anheizen, die die Natur wie die Menschen zerstört, sondern
dazu in die Lage versetzt werden die ökologischen Grenzen ihrer
Eingriffe zu beachten.
Wenn wir von Verkehrswende sprechen müssen wir auch etwas über das
kapitalistische System sagen, dessen Folgen diese Verkehrswende so
dringlich machen, müssen über ein System sprechen, das sich selbst als
eines definiert, das unaufhörlich wachsen muss, das alle
Lebensbereiche zum Geschäft, zur Ware, für den Profit gemacht hat:
Wohnen, Mobilität, Freizeit, Arbeit. Weshalb belassen wir die Mittel,
mit denen die Dinge des Alltags hergestellt werden, die Mittel, mit
denen wir kommunizieren, die Räume, in denen wir leben und die Zeit,
die wir für gesellschaftlich notwendige Arbeit aufwenden in der
Verfügungsgewalt weniger, die sich anmaßen unsere Zukunft zu
bestimmen??? Solange wir die Verfügungsgewalt weniger über die
Produktionsmittel nicht angreifen, wird es auch keine demokratische
Entscheidung darüber geben, ob die Automobilität den Klimawandel
rechtfertigen und die Stadt zu einem Parkplatz degradieren darf.
Die Autoindustrie ist einer der mächtigsten politischen und
wirtschaftlichen Akteure in diesem Land und ihr System der Mobilität
ist so maßgeblich, dass es auch einen grünen hessischen
Verkehrsminister mitten in der Klimakrise dazu bringt als Schirmherr
einer Autobahn in Osthessen aufzutreten, für deren Bau im Dannenröder
Forst mehr als 100 ha Wald mit bis zu 250 Jahre alten Bäumen fallen
sollen.
Der Kapitalismus, in dem wir bisher zu leben gezwungen sind,
versorgt zwar Wenige recht üppig mit Profit und Grundrente, zerstört
aber langfristig die Lebensgrundlagen aller und zuerst die der
wirtschaftlich schwächsten Teile der Bevölkerung – derer, die mit
wenig Einkommen zurecht kommen müssen, keinen politischen Einfluss
haben, aber alles verändern können, wenn sie solidarisch sind und wenn
sie sich wehren. Sie sind die ersten, die unter dem Klimawandel leiden
und in der Klimakatastrophe unter die Räder kommen. Nur wenn sie sich
wehren wird es eine bewohnbare Stadt und einen Stopp des Klimawandels
geben.
Was treibt das Wachstum des Verkehrs an?
Der wachsende Autoverkehr ist kein Naturgesetz, sondern eng verbunden
mit anderen Entwicklungen, die das Klima aufheizen und die Städte
verwüsten:
- Die Wirksamkeit einer Verkehrswende, um den Klimawandel in
Grenzen zu halten, wird global, d.h. weder in Deutschland noch in
Europa entschieden. Allerdings hat das, was sowohl in Deutschland als
auch in Europa passieren wird, immense Auswirkungen auf das, was
global passiert. Und global spielt sich gerade etwas ab, was mit dem
Titel Vollgas in die Katastrophe bezeichnet werden kann. Die
globalen CO2-Emissionen sind von 1990 bis 2019 von 22,7 auf
37 Mrd. t angestiegen. Um das 1,5°C-Ziel zu erreichen müssen die
Emissionen zwischen 2045 und 2060 auf Klimaneutralität abgesenkt
werden! Das bedeutet, dass alle weltweiten Kohlenstoffemissionen durch
Kohlenstoffbindung (Grünflächen, Meere etc.) ausgeglichen werden. Das
wird wohl nicht einmal im reichen Deutschland passieren. Es sei denn
es wird umgesteuert!
- Täglich wächst die Flächenversiegelung in Deutschland nur
für Verkehrszwecke um 10 ha. Die weitere Zersiedlung durch
Wohnbebauung erzeugt zusätzlichen Verkehr. Städte sind heute große
Parkplätze für Maschinen, die weniger als 2% ihrer Lebenszeit genutzt
werden.
-
Der Gütertransport auf der Straße hat in Deutschland z.Zt. einen
Anteil von mehr als 70% und wächst jährlich. Sein hoher Anteil am
Gesamtgütertransport liegt daran, dass seine Kosten vergesellschaftet
werden. Diese vergesellschafteten Kosten werden
auch externe Kosten genannt, weil sie nicht im Preis, der für
eine Tonne Gütertransport zu zahlen ist, enthalten sind, sondern von
der Allgemeinheit getragen werden. Diese externen Kosten umfassen
Emissionsschäden, Lärmschäden, Unfallschäden, Landschaftsverbrauch
durch Straßen und Parkplätze und vieles mehr, was nie im Preis einer
Transporteinheit erscheint. Dies sind externe Kosten, die so hoch sein
können, dass der nominelle Preis für den Transportkilometer
willkürlich erscheint. Aber nicht nur der Transportsektor fristet sein
parasitäres Dasein: Jährlich wird jeder PKW in Deutschland mit mehr
als 1000 € subventioniert. Hier kommen genau dieselben externen Kosten
zur Geltung, die auch oben den Transportsektor so billig
machen.
-
Der Flugverkehr ist heute zu einer relevanten Größe im
Klimawandel geworden, weil sein laufender Treibstoffverbrauch mehr als
5% der gesamten THG-Emissionen ausmacht und pro Jahr eine Steigerung
von ca. 1,3% aufweist, so dass bei ungebrochenem Wachstum die
THG-Emissionen des Luftverkehrs 2050 ca. 22% betragen werden. Der
Flugverkehr ist von der Kerosinsteuer befreit, internationale Flüge
kosten keine Mehrwertsteuer und seine gewaltigen Umweltschäden
(s.Frankfurter Flughafen) trägt die Gesellschaft.
Die Verkehrswende und ihre Surrogate. Oder: Rezepte, wie alles
beim alten bleiben kann.
Der aktuelle Trend, die Verkehrswende mit einer technischen
Innovationswelle zu verwechseln, pflegt die Illusionen, die im
allgemeinen mit E-Mobilität und Brennstoffzellen verbunden sind. Diese
sollen die Emissionen des Verkehrs reduzieren ohne die
Mobilitätsformen und die Infrastruktur des Verkehrs selbst zu
verändern. Das Ganze erinnert stark an den lang gehegten Selbstbetrug
vom Agrosprit, der angeblich der Schlüssel zum grünen Autofahren
werden könne.
Alle genaueren Untersuchungen der letzten Jahre weisen darauf hin,
dass selbst bei Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien infolge der
hohen Emissionen beim Fahrzeugbau die Emissionsabsenkung der
E-Mobilität im Vergleich zu einem konventionellen PKW kaum mehr als
25% betragen wird. Zwar sind die Emissionen der die E-Mobilität im
laufenden Betrieb geringer, dafür sind sie beim Fahrzeugbau umso
höher. Ob mit E- oder mit Verbrennungsmotor, der Hauptanteil des
Feinstaubs, den wir einatmen, stammt von Autoreifen und
Straßenabrieb.
Die Brennstoffzelle ist hingegen ein Musterbeispiel der
Ineffizienz: Bei der Gewinnung von Wasserstoff durch Elektrolyse
bleiben in der Brennstoffzelle zum Antrieb gerade mal 20% der
aufgewandten Energie übrig.
Eine ähnliche Rolle wie die Spekulation, dass eine Kette
technischer Innovationen den Klimawandel aufhalten könnte, spielt die
Ansicht von Ökonomen, dass der Klimawandel gleichbedeutend sei
mit Marktversagen. Ihre Lösung heißt: Geben wir der
Atmosphäre einen Preis! Denn was nicht umsonst ist wird hoch
geschätzt. Ein angemessener Preis für die Luftverschmutzung mit
CO2 würde dazu führen, dass weniger Emissionen entstehen –
so der Glaube. Die Bundesregierung versucht es seit 2005. Ob und wie
hoch der Erfolg der Emissionsabsenkung in verschiedenen
Wirtschaftssektoren auf die Bepreisung zurückgeht, das mag
dahingestellt bleiben. In der Praxis ist die Bepreisung im allgemeinen
zu gering, um eine wirkliche Lenkungswirkung zu entfalten. Denn: Je
höher die Preise, desto geringer die Konkurrenzfähigkeit. Zudem ist
sie höchst unsozial. Den Schmerz der steigenden Energie- und
Warenpreise spüren nur die, die sowieso wenig zum Leben haben.
Eine CO2-Steuer auf die Emission von Kohlendioxid zu
erheben scheiterte bislang daran, dass Länder ohne
CO2-Steuer dann automatisch bevorteilt werden. Sie können
ihre Produkte auf dem Weltmarkt billiger anbieten. Fällt die
CO2-Steuer höher aus flieht das betroffene Kapital ins
Ausland, wo es keine CO2-Steuer gibt oder wo der Wert der
Arbeitskraft sehr gering ist.
Und was benötigen wir für eine wirkliche Verkehrswende?
Zuerst einmal die Erkenntnis, dass die drohende Klimakatastrophe
mehr ist als eine technische Herausforderung. Vieles in Wirtschaft und
Alltagsleben kann energiesparender organisiert werden. Zweifellos wird
E-Mobilität die Luft verbessern und den Lärmpegel senken. Aber die
Flächenversiegelung wird weiter voranschreiten, der Verkehr zunehmen
und die Städte immer trostloser werden. Und: Die globalen
THG-Emissionen werden auf hohem Stand verharren solange in den
kapitalistischen Zentren Europas und den USA die Automobilität als
Gradmesser der Modernität und sozialen Hierarchie auch für den Rest
der Welt Geltung beansprucht! Kurzum: Wenn wir das nicht schnell und
grundlegend verändern, wird das globale System weiter wachsen –
insbesondere im Verkehrssektor. Das kapitalistische Weltsystem ist mit
seinem Wachstumszwang und der Konkurrenz nicht in der Lage der
drohenden Klimakatastrophe zu begegnen.
Wie kann in der kleinen Zeitspanne, die noch bleibt, eine
Verkehrswende gelingen? Durch einen schnellen Ausbau des Öffentlichen
Nah- und Fernverkehrs, durch wachsenden Druck seitens der
Stadtbewohner, die Städte vom Autoverkehr zu befreien und durch den
Rückbau der Beton- und Asphaltwüsten zu bewohnbaren Stadtteilen zu
machen. In einigen wenigen Städten sind in dieser Richtung bereits
zarte, selten auch kräftigere Anfänge gemacht worden. In den manchen
Städten mag der Öffentliche Nahverkehr gut ausgebaut sein. Die Autos
bleiben dennoch in den Städten, weil Millionen Menschen nur mit den
Auto zur Arbeit aus der Stadt kommen oder in die Stadt gelangen und
sich für Geringverdiener nie die Frage stellen wird, ob sie den ÖPNV
nutzen und ein Auto unterhalten. Der Ausbau des ÖPNV wird nur der
Verkehrswende dienen, wenn er nicht auf die Städte beschränkt ist,
sondern flächendeckend in engem Takt funktioniert, wenn neue
Verbindungen geschaffen werden und wenn er zum Nulltarif angeboten
wird.
Das ist die einzige Garantie dafür, dass eine große Zahl von
Menschen sehr bald ihre Mobilität verändert. Sie werden ihre Mobilität
aber nur ändern, wenn das beseitigt wird, was sie zum Autofahren
zwingt. Es gibt keinen Königsweg zur Verkehrswende, aber es gibt
notwendige Voraussetzungen für sie: Ohne gesellschaftliche Gleichheit
wird es genauso wenig eine Verkehrswende geben wie es sie ohne eine
Vergesellschaftung der Autokonzerne und eine Konversion geben wird,
die es ihnen erlaubt nützliche statt schädliche Dinge
herzustellen.
Eine Verkehrswende wird nur erfolgreich sein, wenn der ÖPNV mit
genügend zusätzlichen Transportmitteln ausgestattet ist, um es seinen
Nutzern auch in Spitzenzeiten zu ermöglichen die erforderlichen Wege
stressfreier als mit dem Automobil zurückzulegen. Diese
Transportmittel wiederum müssen gefahren, gewartet, gepflegt und
repariert werden. Es werden Menschen gebraucht, die dies tun und die
mit dieser Tätigkeit sich ein finanzielles Auskommen schaffen,
das zum Leben reicht. Sie wollen, dass ihre Tätigkeit
wertgeschätzt wird und mit ihrer Arbeitskraft kein Schindluder
getrieben wird. Zur Zeit sind Angestellte im ÖPNV – von der
Reinigungskraft bis zum Fahrer – mies bezahlt, arbeiten im
Schichtdienst und sind häufig wiederkehrendem Stress ausgesetzt. Die
Fahrerberufe sind zur Zeit dermaßen unbeliebt, dass jeder Ausbau des
ÖPNV schon am personellen Nadelöhr scheitern wird. Genau diese Misere
ist symptomatisch für das herrschende politische und ökonomische
System. Die Mehrheit seiner Regierenden, von der Bürokratie über den
Minister bis zum Bürgermeister, pflegen die Praxis, dass die
Verkehrswende sich schon von selbst erledigen wird. Durch Technik?
Durch Einpreisung der Umweltschäden? Nichts wird sich von selbst
erledigen, nichts wird sich bewegen, wenn wir nicht aufstehen,
streiken, demonstrieren, Bäume und Kohlebagger besetzen, um einen
weiteren Bau von Autobahnen und Flugplätzen zu verhindern.